CROWDFUNDING - SCHWARMFINANZIERUNG - ALTERNATIVFINANZIERUNG – Was steckt dahinter?
CROWDFUNDING - SCHWARMFINANZIERUNG - ALTERNATIVFINANZIERUNG – Was steckt dahinter?
Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), die nach Möglichkeiten einer leistbaren Finanzierung suchen, stoßen oft sehr bald an die Grenzen des Bankensystems: In Zeiten wie diesen (man denke an das Argument „Finanzkrise“, Basel I, II und III sowie sonstige modern gewordene Restriktionen des Kreditmarktes) sind die Banken zu einer Kreditgewährung an Kleine und mittlere Unternehmen häufig
- gar nicht oder
- nur unter für das Unternehmen extrem belastenden Konditionen
bereit – was ein Unternehmen mit Finanzierungsbedarf in die Insolvenz stürzen oder ein Start-Up-Unternehmen im Keim ersticken kann.
Damit aber wird es für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) interessant, die Frage nach alternativen Finanzierungsquellen zu stellen.
ZUM ARTIKEL
- Die Möglichkeit alternativer Finanzierung
- Die besonderen rechtlichen Probleme alternativer Finanzierung
- Die beabsichtigte gesetzliche Regelung von Crowdfunding
1. Die Möglichkeit alternativer Finanzierung:
Beim Versuch, Geldquellen jenseits des Bankenapparates zu nutzen, wird rasch erkennbar, dass Privatpersonen in der Regel
- entweder überhaupt nicht bereit sind, KMUs bedeutende Summen zur Verfügung zu stellen (private Großinvestoren interessieren sich für kleine Betriebe nur in Ausnahmefällen wie etwa bei neuartigen Produkten oder Dienstleistungen),
- oder aber im Falle eines Investments Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen wollen (ein Investor, der einem Unternehmen mit einem Betriebsvermögen von EUR 300.000,00 einen Betrag von EUR 100.000,00 anbietet, wird zumeist eine nicht unbedeutende Gesellschaftsbeteiligung verlangen).
Ein Ausweg für den Klein- oder Mittelunternehmer mit Finanzierungsbedarf liegt nun möglicherweise darin,
- von einer größeren Zahl an Geldgebern
- jeweils eher bescheidene Finanzierungsbeiträge
entgegenzunehmen – Financier wäre somit eine Menge von Einzelpersonen, weshalb man von „Crowdfunding“ oder „Schwarmfinanzierung“ spricht.
Ein solches Crowdfunding konfrontiert den Unternehmer allerdings mit besonderen Fragestellungen:
Wie kommt der Unternehmer mit den potentiellen Geldgebern in Kontakt?
Die als Geldgeber in Frage kommenden Privatpersonen sind dem Unternehmer in der Regel nicht von vorneherein bekannt; der Unternehmer muss daher ein gesetzeskonformes „Finanz-Marketingsystem“ entwickeln, mit dessen Hilfe er das breite Publikum darauf aufmerksam macht, dass sein Unternehmen eine Möglichkeit zu attraktiven Veranlagungen bietet.
Wie werden die „Finanzierungsinstrumente“ gestaltet?
Der typische Crowdfunding-Geldgeber („der Mann / die Frau von der Straße“) ist kein „Finanzierungsprofi“, der fünf verschiedene Formulare für die Kreditgewährung in der Schublade hat; daher muss der Unternehmer beim Crowdfunding – anders als bei der Aufnahme eines Bankkredits – selbst das Finanzierungsinstrument (etwa das Darlehen) gestalten, das heißt, der Unternehmer muss beispielsweise
- die Darlehenskonditionen inklusive Laufzeit und Kündigungsmöglichkeiten erarbeiten und
- einen Darlehensvertrag formulieren, der den gesetzlichen Inhalts- und Formvorschriften entspricht.
Dabei sollte der Unternehmer berücksichtigen, dass nach einer Grundregel des Gesetzes (§ 915 ABGB) die in einem Vertrag enthaltenen unklaren (schlecht formulierten) Bestimmungen prinzipiell zum Nachteil desjenigen ausgelegt werden, der den Vertrag formuliert hat – hier also zum Nachteil des Unternehmers.
Es zeigt sich somit, dass einem Klein- oder Mittelunternehmer dringend zu empfehlen ist, Crowdfunding nur mit Unterstützung durch einen Rechtsanwalt oder eine andere mit der Rechtsmaterie vertraute Person in Angriff zu nehmen.
2. Die besonderen rechtlichen Probleme alternativer Finanzierung:
Ein Unternehmer, der sich durch Crowdfunding finanzieren möchte, muss also
- Finanzinstrumente definieren (etwa festlegen, dass er Darlehen zu bestimmten Beträgen mit einer Laufzeit von jeweils drei Jahren aufnehmen will) und
- dann an das breite Publikum herantreten.
Damit wird der Klein- oder Mittelunternehmer zu einem Player auf dem Kapitalmarkt; diese Position aber ist nach der derzeitigen Gesetzeslage mit einer geradezu unerträglichen rechtlichen Unsicherheit verbunden:
Das Geschehen auf dem Kapitalmarkt regeln Gesetze, deren Ziel in erster Linie der Schutz der Anleger (Geldgeber) gegen den Verlust ihrer investierten Geldmittel ist.
Diese Gesetze (Bankwesengesetz, Investmentfondsgesetz, Kapitalmarktgesetz etc.) sollen an sich auf bedeutende Kapitalmarkt-Player angewendet werden wie
- institutionelle Finanzierungseinrichtungen (Banken, Investmentfonds) oder
- Großunternehmen, die Anleihen in Millionenhöhe begeben.
Tatsächlich aber sind die Gesetze so formuliert, dass sie unter Umständen auch Schwarmfinanzierungs-Maßnahmen von kleinen oder mittleren Unternehmen erfassen können; es wäre daher beispielsweise möglich, dass der Betreiber einer mittelgroßen Tischlerei, der nichts anderes möchte, als durch das Ausleihen mehrerer kleiner Beträge insgesamt EUR 250.000,00 für die Verbesserung seiner technischen Ausstattung zu erlangen, plötzlich mit der Notwendigkeit konfrontiert wird,
- eine Bankkonzession zu beantragen oder
- einen kostspieligen Prospekt nach dem Kapitalmarktgesetz zu erstellen.
(Diese Gefahr ist nicht weit hergeholt, sondern real:
Ein tüchtiger Unternehmer aus dem Waldviertel hatte auf Basis standardisierter Verträge von einer größeren Zahl Privatpersonen Darlehen aufgenommen. Die Behörde sah darin eine gewerbsmäßigen Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung oder als Einlage – somit ein „Einlagengeschäft“ im Sinne des Bankwesengesetzes – und warf dem Unternehmer den Betrieb von Bankgeschäften ohne Konzession vor.)
Diese Rechtslage führt dazu, dass derzeit Unternehmer, die nicht das Risiko eingehen wollen, durch Crowdfunding in Teufels Küche zu geraten, gänzlich auf Schwarmfinanzierungsmöglichkeiten verzichten – was aus wirtschaftlicher Sicht extrem unbefriedigend ist:
- Einerseits entgehen kleinen und mittleren Unternehmen bedeutende und insbesondere für Innovationen dringend benötigte Finanzmittel.
- Andererseits verlieren potentielle Anleger die lukrative Möglichkeit, Anlagen statt bei Banken bei Unternehmen der Realwirtschaft zu tätigen.
(Gegen Crowdfunding wird von manchen – häufig Bankkreisen nahestehenden – Autoren vorgebracht, dass die Veranlagung bei einem Unternehmen der Realwirtschaft weniger sicher wäre als bei einer Bank; dem sind meines Erachtens zwei Argumente entgegenzuhalten:
- Wer bei einem am Markt etablierten, seriös geführten Unternehmen nach Werksbesichtigung und Prüfung der Bücher eine Veranlagung tätigt, geht ein überschaubares Risiko ein.
- In Zeiten gewisser „Abbaueinheiten“ (HE, wen ich TA wohl meine?) sollte der Begriff der Sicherheit im Zusammenhang mit Bankveranlagungen nicht überstrapaziert werden.
3. Die beabsichtigte gesetzliche Regelung von Crowdfunding:
Die unbefriedigende Rechtslage hat nunmehr die Politik auf den Plan gerufen:
Seitens des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (Wirtschaftsministerium) wurde ein Ministerialentwurf (116/ME XXV. GP) für
- ein Bundesgesetz über alternative Finanzierungsformen (Alternativfinanzierungsgesetz – AltFG) und
- eine Änderung des Kapitalmarktgesetztes
präsentiert.
Das Wirtschaftsministerium hat die Ziele des Gesetzesvorhabens explizit umschrieben:
- Schaffung klarer rechtlicher Rahmenbedingungen für Crowdfunding (die Erläuterungen zum Gesetzesentwurf sprechen explizit von „Schwarmfinanzierung“);
- Gewährleistung eines angemessenen Anlegerschutzniveaus in Verbindung mit Schwarmfinanzierungen;
- Vorbeugung des Missbrauchs der Schwarmfinanzierung für kriminelle Zwecke;
- Ermöglichung kostengünstiger Schwarmfinanzierungen im Sinne des Regierungsprogramms.
Die vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen lassen sich im Überblick wie folgt umreißen:
Das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) richtet sich an „Emittenten“ (= Ausgeber von Finanzinstrumenten wie Anleihen etc.), womit grundsätzlich natürliche Personen (Menschen) und juristische Personen (AGs, GmbHs) gemeint sind, die ein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) betreiben und
- durch die Ausgabe alternativer Finanzinstrumente (siehe unten)
- auf der Basis eines öffentlichen Angebots an mindestens 150 potentielle Anleger
- Geld einsammeln, das unmittelbar für die operative Tätigkeit des Unternehmens bestimmt ist.
Keine Anwendung findet das AltFG somit auf
- Großunternehmen und
- Unternehmen, die das eingesammelte Geld nicht unmittelbar in ihrer operativen Tätigkeit – also etwa für die Beschaffung von Rohstoffen oder Dienstleistungen – einsetzen (damit sollen Unternehmen vom AltFG ausgeschlossen werden, die das eingesammelte Geld in Beteiligungen oder Wertpapieren anlegen wollen).
Die vom Alternativfinanzierungsgesetz angesprochenen „alternativen Finanzinstrumente“ sind im Gesetzesentwurf aufgezählt:
Aktien, Anleihen, Geschäftsanteile an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, Genussrechte, stille Beteiligungen, und Nachrangdarlehen, wobei diese, ausgenommen bei Anleihen, keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch gewähren dürfen, und, sofern es sich nicht um ein Angebot von Geschäftsanteilen an einer Genossenschaft handelt, keine Verpflichtung zur Leistung eines Nachschusses (einer Zusatzzahlung zur ursprünglichen Einlage) beinhalten dürfen.
Emittenten sollen grundsätzlich das Recht haben, alternative Finanzinstrumente auszugeben, sofern je Emission (z. B. je Anleihe)
- der Gesamtwert nicht den Betrag von EUR 1,5 Millionen erreicht und
- die Beträge, welche der Unternehmer von einem einzelnen (nicht professionellen) Anleger entgegennimmt, innerhalb von 12 Monaten insgesamt EUR 5.000,00 nicht übersteigen (die Summe von EUR 5.000,00 kann jedoch überschritten werden, wenn der Anleger die Auskunft erteilt, dass er
- höchstens das Doppelte seines durchschnittlichen Nettoeinkommens investiert, oder
- höchstens 10 % seines Finanzanlagevermögens investiert).
(Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass
- die Begünstigung nur kleine Crowdfunding-Maßnahmen (unter EUR 1.5 Millionen) erfasst und
- der einzelne Anleger sich nicht dadurch ruinieren kann, dass er alles Geld bei einem einzigen Unternehmen anlegt und somit im Falle des Fehlschlagens der Investition sein gesamtes Vermögen verliert.)
Das Alternativfinanzierungsgesetz soll weiters die Verpflichtung des Emittenten vorsehen, den Anleger vorab über bestimmte wichtige Punkte (wie Rechtsform, Kapitalstruktur und Unternehmensgegenstand des Emittenten, Rechtsform, Laufzeit, Kündigungsmöglichkeit und Veräußerbarkeit des Finanzinstruments etc.) zu informieren; diese Regelung hat zwei Zielsetzungen:
- Die potentiellen Anleger sollen alle Informationen erhalten, die sie für eine fundierte Anlageentscheidung brauchen.
- Die Informationspflicht soll für Finanzierungen, die dem AltFG unterliegen und im Gesamtvolumen weniger als EUR 1,5 Millionen ausmachen, die Pflicht zur Erstellung eines umfangreichen und kostspieligen Prospektes nach dem Kapitalmarktgesetz ersetzen.
Schließlich sind noch Regelungen bezüglich des Betriebes von Internetplattformen zur Vermittlung von alternativen Finanzierungen vorgesehen; insbesondere müssen die Betreiber einer solchen Plattform
- eine Gewerbeberechtigung als Unternehmensberater oder Vermögensberater oder eine Konzession als Wertpapierdienstleistungsunternehmen besitzen,
- die Vorschriften der Gewerbeordnung betreffend die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einhalten,
- bestimmte Angaben hinsichtlich der Plattform zur Verfügung stellen,
- die Kriterien für die Zulassung der Emittenten zur Plattform nennen und
- die oben angeführten Pflichtinformationen wiedergeben.
Durch die beabsichtigte Änderung des Kapitalmarktgesetzes soll die oben bereits angesprochene Pflicht zur Erstellung eines umfangreichen und kostspieligen Prospektes auch für „kleinere“ Finanzierungsmaßnahmen außerhalb des Alternativfinanzierungsgesetzes gemildert werden:
Insbesondere für das Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen, welche an sich der Prospektpflicht des Kapitalmarktgesetzes unterliegen, aber im Gesamtvolumen EUR 5 Millionen nicht erreichen, ist ein „vereinfachter Prospekt“ vorgesehen, dessen Erstellung erheblich billiger ist als die des „gewöhnlichen“ Prospekts.
Ausdrücklich festgehalten sei, dass die neuen gesetzlichen Regelungen sich erst im Stadium der Begutachtung des Ministerialentwurfs befinden; derzeit wären diese Regelungen (und die mit ihnen verbundenen Erleichterungen für das Crowdfunding) noch nicht anzuwenden.
Der Autor hofft, Ihnen einen nützlichen Überblick über die derzeitige und die (vielleicht) künftige Regelung der Schwarmfinanzierung gegeben zu haben und steht Ihnen gerne für die rechtsanwaltliche Begleitung einer solchen Finanzierung zur Verfügung.
Autor: Rechtsanwalt Dr. Mag. Georg Prchlik